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Donnerstag, 17. September 2015

Sew a Smile :-)

oder: Wie nähen mich noch glücklicher macht.


Schon hier schrieb ich, dass mich, wie wohl die meisten, das Schicksal der Flüchtlinge sehr beschäftigt. 

So kommt es denn auch, dass ich auf eine leicht diffuse Art mit einem Wort hadere, dass derzeit ständig in der Presse und in den Medien zu hören, bzw. zu lesen ist. Das Wort Willkommenskultur. Deutschland hat nun also eine Willkommenskultur. Aha. Ist es eine besondere (da stets hervorgehobene) Kultur, Menschen, die in Not sind, die Hilfe brauchen, Willkommen zu heißen? Oder ist es die Normalität, nein, halt, sollte es nicht das Normale, das Menschliche sein, Mitmenschen, denen es fraglos schlecht geht, zu helfen. Wenn es also doch normal sein sollte, aus welchem Grund wird es als besondere Kultur so hervorgehoben. Ich verstehe es natürlich sehr wohl und stelle diese Fragen auch mehr provokativ. Dennoch empfinde ich das Wort als nicht 100% richtig. Denn durch dieses Hervorheben von Hilfsbereitschaft, von Menschlichkeit wird es nicht mehr als selbstverständlich wahrgenommen. Und wenn es nicht mehr selbstverständlich ist, bringen wir die Menschen, die nun hilfesuchend zu uns kommen, in die Situation, sich bedanken zu müssen, vielleicht sogar zu dem Gedanken, uns Helfenden etwas schuldig zu bleiben. 

Dieser Gedanke kam bei mir zum ersten Mal in der vergangenen Woche auf. 
Meine kleine Tochter hat seit Ende der Kitaferien zwei neue Freunde, zwei Jungen, die kurz vor der Sommerschließzeit in ihre Kita kamen. 
Und diese beiden Jungen kommen aus Syrien. Sie sind vor ca. 8 Wochen nach fünfmonatiger Flucht mit ihrem Vater in Berlin angekommen und wohnen in einer "Erstaufnahmeeinrichtung für erwachsene Flüchtlinge und deren Familien im Sachleistungsbezug", dem so genannten Refugium der AWO.

Natürlich sprechen die beiden Jungen und ihr Vater kaum Deutsch, so dass es aufgrund der Verständigungsprobleme nicht so einfach war, dem Vater mitzuteilen, dass meine Tochter gerne mit seinen Söhnen bei uns zuhause spielen wolle. Dank der unbürokratisch handelnden und sehr hilfreichen Kitaleitung und ErzieherInnen unserer Kita klappte dann alles sehr unproblematisch (ich empfehle mal den Google-Übersetzer. Der mag zwar seine Macken haben, doch zumindest klappen einfache Mitteilungen offensichtlich ganz gut). Der Tag mit den beiden war für uns alle sehr schön, alle drei Kinder haben fröhlich und ganz und gar ohne Streit miteinander gespielt. Kurz: Es war ein ganz normaler Tag mit Besuchskind! (Abgesehen davon, dass es bei anderen Kindern häufiger zu kurzfristigen Differenzen kommt). Abends brachte ich die beiden Jungen zurück und der Vater bedankte sich nahezu unentwegt, gab mir für meine Tochter Süßigkeiten mit und versicherte mir, wie glücklich er sei, dass ich die beiden Jungen mitgenommen hatte. Er war so dankbar, dabei hatte ich etwas ganz normales getan: Ich hatte zwei Freunde meiner Tochter mit zu uns genommen. 

Die beiden Jungen kommen morgen wieder und wir alle freuen uns. Ja, wir alle, denn auch ich freue mich, weil die beiden so tolle Kinder sind und meine Tochter sich freut. Und doch bedankte sich der Vater wieder so oft, dass es mir schon unangenehm war. 
Wie kann ich ihm das Gefühl nehmen, mir dankbar sein zu müssen? 
Wie kann ich auf Augenhöhe mit ihm bleiben?
Und wie kann ich helfen, ohne ihm das Gefühl von Almosen und der damit verbundenen Notwendigkeit der Dankbarkeit zu vermitteln?

Und wegen all' dieser Dinge, weil ich eben sehe, wie unangenehm es einigen (sicherlich vielen) ist, unsere Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, mag ich nicht von einer Willkommenskultur sprechen. Wir heißen die Menschen Willkommen, helfen ihnen und handeln menschlich.

Und nun - langer Rede kurzer Sinn - freue ich mich, etwas gefunden zu haben, wie ich helfen kann, ohne dass irgendwelche Termine mit Familienterminen kollidieren.

Nici Augustin hat auf ihrem Blog eine schöne Idee gehabt, die mich begeistert hat. Sie hat initiiert, Beutel, so genannte Smile Bags zu nähen. Diese können mit einer Kordel verschlossen und auch als Rucksack getragen werden. Gefüllt werden sie dann, wie ich es verstanden habe, mit unterschiedlichen Hygieneartikel. Diese Beutel wird es in groß und in kinderklein geben. 
Mit der Begeisterung bin ich nicht alleine: Bisher 1862 sind ebenfalls der Meinung, dass diese Idee nicht nur toll, sondern auch realisierbar ist. 
1862 Mitglieder hat inzwischen ihre Facebook-Gruppe Sew a smile, und es werden sicherlich noch mehr werden. Ich gehöre dazu. Und was soll ich sagen: Das Nähen der Smile-Bags macht süchtig. Allein der Kordel- und Stoffmangel konnten mich heute ausbremsen. 
Als ich in der Facebook-Gruppe postete, dass ich, als reine Mädchenmutter, nur noch sehr femine Canvasstoffe hätte, meldeten sich gleich mehrere Teilnehmerinnen, sie hätten noch Stoffe, die sie mir zusenden könnten. Keine Kordel mehr vorhanden? Kein Problem, senden wir mit. Wobei ich unbedingt hinzufügen möchte, dass sehr viele Kordeln von Alles für Selbermacher gespendet werden. Inzwischen nähen allerdings so viele an den Smilebags, dass Nadine Masuhr von Alles für Selbermachen mit den Kordeln kaum noch nachkommt. Kaum stehen sie im Netz, schon sind sie weg. Und anders, als das bei manchen begehrten Stoffen der Fall ist, bin ich nicht genervt, denn ich weiß, dass, wenn auch nicht ich, so doch andere nun weitere Smilebags nähen.

Mein Resümee ist, dass Helfen verbindet. Jeder ist willkommen, einer hilft dem Anderen, alle verfolgen ein gemeinsames Ziel. Natürlich können wir damit nicht die Welt retten, den Flüchtlingen Sicherheit bieten, doch was wir vielleicht damit schaffen, ist, den Menschen, die zu uns kommen, etwas Schönes in ihren Alltag zu bringen (denn wer möchte gerne seine Hygieneartikel in einer Plastiktüte aufbewahren) und ihnen zu verstehen zu geben, dass wir helfen wollen und helfen können.




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